Ich stehe vor der blauen Behandlungsliege, auf der eine kleine schwere, weiße Leiter steht. Meine schlappen Wurstfinger liegen um den verdickten Bügelgriff. Meine Therapeutin drückt mit ihren Fingern meine schlaffen Griffel um den Leitergriff. Damit sie nicht abfallen wie altes Laub. „Faszilitieren“ ist der Fachbegriff dafür.
„Und jetzt den Ellenbogen durchdrücken!“
Ich lege los.
Ich denke an den Quälgeist Tara, eine Enkelin meiner Freundin. Als wir von einem Ausflug nach Hoyerswerda zurückkommen fragt Tara: „Wie lange noch?“. Ich weiß, das wird sie uns jetzt noch oft fragen. Sehr oft.“20 Minuten“, antworte ich. „Wieviel lange ist 20 Minuten?“ „Da musst du 20 Mal bis 60 zählen. Dann sind wir da.“ Tara ist vier und kann bis etwa 13 zählen.
„Oder 60 Mal bis 20… Oder 120 Mal bis zehn… Fangen wir an?“ – „Na gut.“ – Sie zählt bis zehn, dann sage ich „Stopp! Vorn vorn!“ Ich mache das 19 Mal dann ist sie plötzlich still. Waren keine Sekunden. Waren wohl Schäfchen.
„Eine Therapie-Einheit sind 400 Mal. Habe ich mir aufgeschrieben“, sagte die Therapeutin, die letzte Woche auf einer „Fobi“ war. Fortbildung.
Ich schaffe etwa fünf bis sechs Ellenbogenstreckungen („Extensionen“) in der Minute.
Eine andere Therapeutin hatte vor etwa 30 Monaten zu mir gesagt: „90.000 Mal, dann hat das Gehirn diese Bewegung wieder abgespeichert.“ Oder waren es 30.000? Ist ja auch egal, denke ich. Und strecke den Ellenbogen. Und beuge ihn. Und strecke ihn. Und… knurre: Heil, mein Führer!
„Herr Winkler!“