Das Gehen an und für sich.
Um das „Gehen“ beschreibbar zu machen bedienen sich die Therapeuten des Begriffs „Gangzyklus“. Sie legen dabei den Fokus auf eines der beiden Beine benennen und beobachten, was es für einzelne Phasen bei Gehvorgang durchläuft und was es genau dabei macht, bevor der Vorgang erneut beginnt und sich wiederholt. Damit grenzen sie den Gehvorgang „zyklisch“ ein. Das Bein, auf das man sich fokussiert nennen sie „Referenzbein“. Das dazugehörige andere Bein heißt „kontralaterales Bein“.
Der „Gangzyklus ist also ein isolierter winzigen Abschnitt innerhalb eines Geh- Vorganges. Man hat beobachte, das so ein Zyklus sich in acht unterscheidbare Gangphasen gliedert, bevor der Zyklus abgeschlossen ist und er heute startet. Ganz grob wird unterteilt zwischen einer Standphase (stance) und einer Schwungphase (swing). Dabei werde sind wiederum fünf Stand- und drei Schwungphasen unterscheidbar. In diesen Phasen realisieren sich drei Sachverhalte: a) der Stand des Referenzbeines auf einem Bein („Einbeinstand“) , damit wir nicht umfallen, b) die Vorwärtsbewegung des Referenzbeines, in der es sich vom „Standbein“ in „Schwungbein“ verwandelt (schließlich wollen wir ja vorwärts kommen!). Dazwischen realisiert sich der heikle Moment von c) der Gewichtsübergabe und -übernahme vom einen aufs andere Bein, vom Referenzen auf das kollaterale Bein und umgekehrt.
Das macht insgesamt acht Gangphasen, die das „Referenzbein“ durchläuft oder durchhinkt, je nach dem. Zählen wir sie auf, immer geschafft auf das Referenzbein:
1. initialer Kontakt (initial contact) mit Fersenaufprall (heel strike) und Vorbereitung für die Stoßdämpfung.
2. Stoßdämpfungsphase (loading response) mit Fußsohlenboden-Kontakt (foot flat), hier findet eine Stoßdämpfung des Körpergewichts statt, das Bein übernimmt das Gewicht und muss dabei zugleich die Stabilität sowohl des Beines als auch des Körpers gewährleisten.
3. mittlere Standphase (mid stance). Hier bewegt sich der Körper mit seinem Gewicht über den Vorfuß, wobei auch hier gilt Bein und vor allem Rumpf stabil zu halten.
4. Terminale Standphase (Terminal stance) mit Fersen-Anhebung (heel off). Hier bewegt sich der Körper mit seinem Gewicht über das stützende Bein (Standbein) selbst hinaus und die Ferse hebt an.
5. Ende Vorschwungphase/Beginn initialer Standphase (end of pre swing/start of initial swing) mit – die Zehen werden abgehoben (toe off). Hier positioniert sich das Bein für die Schwungphase. Das Standbein steht unmittelbar davor, sich in ein Schwungbein zu verwandeln. Nachdem die Ferse schon angehoben war, heben nun die Zehen ab.
6. Teil der initialen/mittleren Schwungphase (initial swing), Beschleunigungsphase (Acceleration). Jetzt hebt der Fuß vom Boden ab, das Körpergewicht geht vollständig auf das kontralaterale Bein über, das Referenzbein wird nach vorne gebracht.
7. Teil der mittleren/terminalen Schwungphase (mid swing). Das Referenzbein wird weiter nach vorne gebracht, eine bestimmter Abstand zwischen Fuß und Boden wird gewährleistet, denn wir wollen ja (eigentlich) nicht stolpern.
8. Terminale Schwungphase (Terminal swing), Abbremsphase (Deceleration). Das Nachvornebringen des Referenzbeins wird vollendet. Eine gewisse Schrittlänge an gesteuert. Das Bein bereitet sich auf den erneuten, initialen Kontakt vor, mit dem der Gangzyklus erneut beginnt.
Die „heikle“ Gewichtsübernahme vom „kontralateralen Bein“ auf das „Referenzbein“ passiert mit der 1. und 2. Teilphase. Die Gewichtsübergabe vom „Referenzbein“ zurück auf das „kontralaterale Bein“ passiert in der 5. und 6. Teilphase.
Zwei weitere Aspekte des Gangzyklus sind noch bemerkenswert: die „Schrittlänge links und rechts“ und die „Spurbreite“. Könnte man jetzt auch noch mit der Lupe anschauen. Später.
Alles aus: Kirsten Götz-Neumann – Gehen verstehen, 2016.